„Hoffentlich steht unser Haus im Weg“

Tagesaktuell

UNTERWEITERSDORF: Vor 40 Jahren sind Margarethe (62) und Adolf (65) Polterauer in ihr Haus eingezogen. Eine Idylle – bis die Autobahn kam. Seit gestern ist von dem Haus nichts mehr zu sehen. Und die Polterauers freut das.
OÖN: Herr Polterauer, warum lachen Sie? Ihr Haus wird gerade abgerissen.
ADOLF POLTERAUER: Ja, das ist aber so. Keine Wehmut, obwohl wir damals, 1968, das Haus Ziegel für Ziegel eigenhändig aufgebaut haben, alles mit Hand gemischt.
OÖN: Und die Tränen in Ihren Augen, Frau Polterauer?
MARGARETHE POLTERAUER: Das ist nur der scharfe Wind.
OÖN: Was hat Ihnen den Abschied so leicht gemacht?
MARGARETHE: Der Lärm, der Gestank. Die vielen Lkw, die jeden Tag direkt an unserer Haustür vorbei auf die
A7 (Mühlkreisautobahn,Anm.) auf- und abfahren.
OÖN: Warum haben Siesich eigentlich neben eine Autobahn gebaut?
MARGARETHE: Als wir 1969 eingezogen sind, war keine Rede von einer Autobahn. Es war paradiesisch ruhig. Im
Oktober 1976 kam die Nachricht, dass die Mühlkreisautobahn
durch das Gusental führt. Das wäre einige hundert Meter von uns weg gewesen. Das können wir schlucken.
Doch dann kamen die Bagger.
OÖN: Und die kamen unerwartet nahe.
ADOLF: Damals hatte man als Bürger wenig zu bestellen. Wir haben ziemlich blöd geschaut, als die aufgeschüttet
haben. Ich habe den Abstand zu unserem Haus abgeschritten – genau 30 Schritte.
OÖN: Lärmschutz?
MARGARETHE: Nichts. Von einem Tag auf den anderen nicht mehr auf der Terrasse sitzen, den Fernseher laut aufdrehen müssen, um etwas zu verstehen. Arg wurde es 1989, nach der Ostöffnung.
OÖN: Was war?
ADOLF: Die Lkw aus Tschechien. Die sind auch sonntags gefahren. Um Mitternacht durften sie über die Grenze, um halb ein Uhr waren sie dann da. Die Bremsen sind denen heiß gelaufen – den Unterweitersdorfer Berg herunter. Ich hatte nachts Nasenbluten, weil die Bremsbeläge aus giftigem Asbest waren.
OÖN: Trotzdem: Ihregrößte Hoffnung war, dassnoch eine Autobahn kommt.
ADOLF: Das ist so, ja. Vor etwa vier Jahren war klar, dass die Schnellstraße nach Freistadt (S10, Anm.) gebaut wird. Wir dachten: Hoffentlich steht unser Haus im Weg. Aber die haben uns gesagt, dass unser Haus stehen bleiben kann, obwohl
die Schnellstraße direkt an der Grundgrenze verlaufen wäre. Mit einer Lärmschutzwand – südseitig ... Dann aber kam das Angebot: Wir lösen Ihr Haus ab.
OÖN: Ein gutes Angebot?
MARGARETHE: Es war mehr als erhofft, ja. Wir haben um das Geld ein neues Haus bauen lassen. Näher beim Ort.
OÖN: Die erste Nacht im neuen Haus?
MARGARETHE: Unheimlich. Man hört einen Verkehrslärm, den es gar nicht gibt. Der Kopf war nach all den Jahren auf Lärm programmiert. Ab dem zweiten Tag sind wir mit so einer Ruhe ins Bett gegangen. Man weiß, jetzt ist es vorbei.

Text: HELMUT ATTENEDER - OÖN

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